Pressemitteilung zum Protest gegen die Compact-Konferenz am 25.11.2017 in Leipzig

Heute, am 25.11.2017, begleitete die Demobeobachtung die Demonstration „Rechte Netzwerke aufdecken: Compact-Konferenz verhindern“ vom kleinen Willy-Brandt-Platz bis zum Veranstaltungsort der Compact-Konferenz an der alten Messe. Der Protestzug lief gegen halb zehn am Hauptbahnhof los. Am Ostplatz bildete sich, wie vorher angekündigt, eine Fahrraddemonstration, die die direkte Route über die Johannesallee zur alten Messe nahm. Am Eventpalast, dem Ort der Compact-Konferenz, demonstrierten die Teilnehmenden hauptsächlich an zwei Orten: An der Puschstraße Ecke Straße des 18. Oktober sowie vor dem Haupteingang des Eventpalasts.

Die Polizei setzte Einsatzkräfte aus Dresden, Chemnitz und Leipzig ein. Diesen standen ein Wasserwerfer, Hunde und Räumfahrzeuge vor Ort zur Verfügung. Auch wenn diese Mittel nicht zum Einsatz kamen, war das Agieren der Polizei an einigen Stellen unverhältnismäßig. Besonders hervorzuheben sind die folgenden Geschehnisse.

Bei der Kundgebung an der Puschstraße Ecke Straße des 18. Oktober kam es gegen halb zwölf zum Einsatz körperlicher Gewalt durch die Polizeikräfte. Zunächst war hier über die ganze Straße der Protest angezeigt und durch Polizei und Ordnungsamt nicht beanstandet worden. Dann jedoch sollten nach Ansicht der Einsatzkräfte die Compact-Konferenzteilnehmenden, zusätzlich zum Zugang über den Haupteingang, auch hier zu ihrer Veranstaltung gelangen können. Deswegen wurde verhandelt, ob der Gegenprotest auf den Bürgersteig und den sich anschließenden Eingang zum Pavillon der Hoffnung beschränkt werden solle. Das Ergebnis dieses Gespräches war für die vier dort anwesenden Demobeobachter*innen noch nicht ersichtlich, als die Polizist*innen bereits begannen unmittelbaren Zwang anzuwenden. Sie drängten die Teilnehmer*innen über die Straße. Dabei schubsten sie, einzelne Personen wurden durch die Beamt*innen auf den Oberkörper, in den Bauch und ins Gesicht geschlagen. Die Unverhältnismäßigkeit der Maßnahme wird noch deutlicher durch den Umstand, dass die Einsatzkräfte das Schubsen auch dann noch fortsetzten, als sich die Teilnehmenden schon in dem dann zugewiesenen Bereich befanden. An derselben Stelle wurde eine Person durch vier Polizist*innen in Gewahrsam genommen. Dabei brachten sie diese zu Fall und überstreckten ihren Kopf nach hinten. Nachdem die Situation sich etwas beruhigt hatte, bewegten sich zehn Beamt*innen der Beweis- und Festnahmeeinheit in die Kundgebung. Sie zogen eine weitere Person unter Anwendung von Gewalt aus dem Versammlungsgeschehen heraus. Dieses Vorgehen war so rabiat, dass eine von dem Zugriff nicht betroffene Person zu Fall gebracht wurde, wobei sie mit dem Kopf auf dem Boden aufschlug.

Auch in Situationen, in denen nicht die Beurteilung der Verhältnismäßigkeit im Vordergrund stand, sondern lediglich einfache rechtliche Voraussetzungen für eine Maßnahme zu beachten waren, begingen die Beamt*innen erhebliche Fehler. Hier sollen insbesondere das Anfertigen von Übersichtsaufnahmen, das Abfilmen und mehrere Identitätsfeststellungen beleuchtet werden.

Übersichtsaufnahmen wurden fast beim gesamten heutigen Versammlungsgeschehen angefertigt. So auch bei der Fahrraddemo. An dieser nahmen ca. 15 Personen teil. Die Gruppe wurde über die komplette Strecke vom Ostplatz bis zum Eventpalast unter anderem durch einen der drei Kamerawagen begleitet. Durch das Schwenken der Kamera wurde der Eindruck des Filmens erweckt. Auf Nachfrage bestätigten die das Fahrzeug führenden Polizist*innen dies. Sie gaben jedoch an, dass die Aufnahmen ohne Speicherung an die Einsatzleitung weitergeleitet würden. Als Rechtsgrundlage für sogenannte Übersichtsbildübertragungen verwiesen sie auf den an dieser Stelle abwegigen § 27 Sächsisches Versammlungsgesetz. Der hier eigentlich einschlägige § 20 Abs. 2 Sächsisches Versammlungsgesetz schränkt die Zulässigkeit von Übersichtsaufnahmen dahingehend ein, dass diese lediglich wegen der Größe oder Unübersichtlichkeit der Versammlungslage erlaubt sind. Bereits ob der gesamte Protest als groß oder unübersichtlich im Sinne dieser Vorschrift zu betrachten ist, ist höchst zweifelhaft. Dass aber eine Fahrraddemo mit nicht mehr als 15 Personen diese Voraussetzungen erfüllen soll, ist höchst abwegig. Zur Auslegung des Begriffs der Übersichtlichkeit siehe: Verfassungsgerichtshof des Landes Berlin, Urteil vom 11. April 2014, Az. VerfGH 129/13; Verwaltungsgericht Göttingen, Urteil vom 11. Dezember 2013, Az. 1 A 283/12.

Immer wieder wurden die Teilnehmer*innen auch mit Handkameras gefilmt. Damit begannen die Beamt*innen schon bei der Anreise zum Kundgebungsauftakt am Morgen am kleinen Willy-Brandt-Platz. Die An- und Abreise sind vom Grundrecht auf Versammlungsfreiheit geschützt, auch hier ist das anlasslose Abfilmen von Teilnehmer*innen somit ein unzulässiger Eingriff in dieses Grundrecht. Zudem wurden diverse Demonstrierende, die sich auf dem Weg von dem einen zum anderen Kundgebungsort befanden, bzw. bereits die Abreise angetreten hatten, Identitätskontrollen unterzogen. Bei einer der Identitätsfeststellungen wurde auf Nachfrage angegeben, dass kein Verdacht gegen die betroffenen Personen bestehe, die Identitätskontrolle erfolge „allgemein wegen der Demo“. Damit verkehrt der*die Beamt*in die grundgesetzlichen Wertungen in ihr Gegenteil: Eigentlich sind Versammlungen besonders geschützt, hier wird aber eine besondere Bedrohung durch sie suggeriert. An anderer Stelle wurde ein Verdacht bejaht, welcher nach dem Gesetz tatsächliche Anhaltspunkte und nicht bloß pauschale Vermutungen erfordert. Eine kontrollierte Person sei durch das Tragen eines Schals, die andere Person durch das Mitführen eines Beutels aufgefallen und damit einer Straftat verdächtig, so die Einsatzkraft. Auch für die Kontrollen konnten somit keine rechtlich zutreffenden Begründungen genannt werden.

Die Demobeobachtung Leipzig zieht ein ernüchterndes Fazit: Die Polizei hat heute die einfachsten Regeln nicht richtig angewandt, dadurch wurden die Grundrechte der Demonstrierenden erheblich beschnitten.

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