Heute, am 12.01.2019, begleitete die Demobeobachtung Leipzig die Demonstration AFD adé gegen den Parteitag der AFD in Riesa. Die Beobachtung begann mit der Anreise vom Leipziger Hauptbahnhof. Nach einem Auftakt am Postamt beim Bahnhof in Riesa setzte sich die Demonstration gegen viertel vor zwei in Bewegung. Sie zog durch die Stadt zum Veranstaltungsort des Parteitages, wo vor der Sachsenarena von 14.30 Uhr bis 16.00 Uhr eine Zwischenkundgebung stattfand. Danach bewegte sich der Aufzug zurück zum Bahnhof Riesa, wo die Demonstration um kurz vor fünf beendet wurde. Schließlich begleitete die Demobeobachtung die gemeinsame Abreise der Teilnehmer*innen nach Leipzig. Die Beobachtung endete mit der Ankunft dort gegen sechs Uhr.
Bereits als die Teilnehmer*innen aus Leipzig in ihren Zug nach Riesa steigen wollten, kam es zu polizeilichen Maßnahmen ihnen gegenüber: Die Polizeibeamt*innen forderten diverse Personen auf, ihre Rucksäcke zu öffnen, durchsuchten diese, tasteten teilweise die Kleidung der Anreisenden ab und befragten sie, ob sie zu den Protesten reisen würden. Bereits bei der Anreise zu einer Demonstration entfaltet die Versammlungsfreiheit des Art. 8 GG eine schützende Wirkung (vgl. BVerfG, Beschluss vom 14. Mai 1985 – 1 BvR 233/81 –). Daher stellen sich schon die hier beschriebenen Kontrollen als Eingriff in die Versammlungsfreiheit dar. Anhaltspunkte für diese Eingriffe waren nicht ersichtlich, sodass die Verhältnismäßigkeit des Eingriffs mindestens in Frage steht.
Als alle Teilnehmer*innen in den Zug gestiegen waren, folgten ihnen die etwa 30 Polizeibeamt*innen, um in dem Zug mit nach Riesa zu fahren.
Bei der Ankunft dort wurde deutlich, dass die Polizei ihren Einsatz nicht zurückhaltend geplant hatte: So befanden sich am Bahnhof auf den Gleisen, in der Unterführung, auf Treppen und am Vorplatz Polizeibeamt*innen. Neben der üblichen Ausrüstung hatten die Einsatzkräfte dort auch einen Polizeihund sowie eine Mehrzweckpistole dabei, welche unter anderem zum Abschuss von Tränengaskartuschen bestimmt ist. Bei der Zwischenkundgebung an der Sachsenarena wurde auch die Pferdestaffel eingesetzt. Ein Hubschrauber flog über der Kundgebung und der Demonstration zurück zum Hauptbahnhof. Mindestens zwei weitere Beamt*innen waren mit Mehrzweckpistolen ausgestattet.
Ein*e Passant*in kommentierte dieses Aufgebot mit den Worten: „Hier ist ja mehr Polizei als Demonstranten!“. Eine solche Polizeipräsenz prägt das Bild einer Versammlung und suggeriert, wie schon in anderen Pressemitteilungen dargestellt, eine Gefährlichkeit der Demonstration. Sie ist daher geeignet potentielle Teilnehmende abzuschrecken, sowie auf die Teilnehmer*innen einschüchternd zu wirken.
Bei einer öffentlichen Versammlung geben Menschen gemeinsam ihren Meinungen Ausdruck. Dies tun sie im öffentlichen Raum, um diese Meinungen auch Außenstehenden darzulegen. Damit tragen sie zur öffentlichen Meinungsbildung bei, welche für das Wertesystem des Grundgesetzes unverzichtbar ist (vgl. Bundesverfassungsgericht, Urteil vom 15.01.1958, BVerfGE 7, S. 198 (208)). Notwendigerweise inbegriffen ist dabei die Möglichkeit anderer, nicht teilnehmender Personen sich ein Bild von der Demonstration und ihrem Inhalt zu machen und eigene Positionen dazu zu entwickeln. Dies wird maßgeblich erschwert oder sogar verhindert, wenn Umstehende durch das polizeiliche Auftreten abgeschreckt oder vom Zuhören und Zusehen abgehalten werden. Eine spontane Entscheidung, sich an dieser Stelle zu dem Inhalt zu verhalten wird ihnen dann genommen.
Auch auf der Fußgängerbrücke über die B169 um ca. 13:10 Uhr wurde deutlich, dass die Polizei diesen Wesensgehalt des Grundrechts auf Versammlungsfreiheit nicht in Gänze verstanden hat. An dieser Stelle verweigerten Einsatzkräfte einer Person, welche sich nach ihrer eigenen Aussage zunächst ein Bild von der Versammlung machen wollte, den Zugang zum Kundgebungsort mit der Begründung „Nur mal schauen gibt‘s nicht!“. Einer weiteren Gruppe von interessierten Personen rieten die Einsatzkräfte ebenfalls, sich nicht zur Versammlung zu bewegen.
Auch im Umgang mit der Presse zeigte sich fehlende Kompetenz auf Seiten der Polizei. Einem*einer Pressevertreter*in wurde zumindest kurzzeitig die Beobachtung und Berichterstattung über eine Situation, in der Beamt*innen körperliche Gewalt gegenüber einem*einer Teilnehmenden einsetzten, verunmöglicht. Der*die Pressevertreter*in wurde durch eine Polizeikette davon abgehalten sich zum Ort des Geschehens zu bewegen. Gerade die freie Berichterstattung der Presse ist aber für eine Bewertung staatlichen Handelns unerlässlich.
Beobachtet wurden darüber hinaus drei Identitätsfeststellungen, Taschendurchsuchungen auch in Riesa, das Abfotografieren einzelner Teilnehmer*innen (sogen. erkennungsdienstliche Maßnahme), der Einsatz von Kamerawagen, sowie ein*e Beamt*in, der*die es für angebracht hielt, die Demonstration mit dem Smartphone für eigene Erinnerungen festzuhalten.