Wie schon die letzten beiden Jahre begleitete die Demonstrationsbeobachtung Leipzig die Veranstaltung anlässlich des Gedenkens an Oury Jalloh in Dessau. Die Demonstration begann und endete am Hauptbahnhof mit Kundgebungen vor dem Gebäude der Staatsanwaltschaft, am Mahnmal für Alberto Adriano, vor dem Landgericht, vor der Abschiebehaftanstalt, an der Friedensglocke sowie vor dem Polizeirevier Dessau.
Die Polizei sprach von einem weitgehend ungestörten Versammlungsverlauf. Die Demobeobachtung Leipzig hat jedoch Kritikpunkte am Polizeieinsatz.
Die polizeiliche Präsenz (Einheiten aus Berlin, Sachsen und Sachsen-Anhalt, sowie der Bundespolizei) nahm Einfluss auf die Außenwirkung des Protest. So liefen seit Beginn eine Polizeikette vor und eine hinter der Demonstration. Diese bestanden vorn aus zehn bis zwanzig, hinten aus neun bis dreißig Polizeivollzugsbeamt*innen. Dies kann eine Gefährlichkeit des Protests suggerieren, die jedoch nicht bestand.
Hervorzuheben sind außerdem folgende Situationen: Kurz bevor der Aufzug auf der Ruststraße vor die Staatsanwaltschaft Dessau-Roßlau gelangte, filmte ein Kamerawagen das Gebäude der Staatsanwaltschaft. Auf Nachfrage gaben die Beamt*innen an, sie hätten die Anweisung dies zu tun, sollten aber, sobald die Demonstration ankomme, das Filmen einstellen. Kurz nachdem die ersten Demonstrant*innen den Ort erreichten, wurde das Objektiv der auf dem Dach des Kamerawagens befindlichen Kamera eingeklappt und das Filmen eingestellt. Trotzdem verblieb der Kamerawagen, den Kameramast weiterhin ausgefahren, an diesem Ort, das (heruntergeklappte) Kameraobjektiv weiterhin auf den Demonstrationszug gerichtet. Aufgrund der Konstruktion der Mastkamera, insbesondere wegen einheitlicher Farbgebung und der relativ geringen Größe des Kameraobjektivs, war es bereits aus einer geringen Entfernung nicht mehr eindeutig erkennbar, dass das Objektiv der Kamera heruntergeklappt, also nicht in Betrieb, war. Auch durch das Vorhalten einer teilausgefahrenen, nicht in Betrieb genommenen Mastkamera während einer Kundgebung wird in die durch Artikel 8 Grundgesetz geschützte Versammlungsfreiheit eingegriffen. Es war für die Demonstrierenden nicht mit der gebotenen Eindeutigkeit festzustellen, ob sie Objekt staatlicher Beobachtung waren oder nicht (vgl. Oberverwaltungsgericht Lüneburg, Urteil vom 24.09.2015 – 11 LC 215/14). Eine tatsächliches Filmen wäre an fraglicher Stelle wegen einer mangelnden erheblichen Gefahr für die öffentliche Sicherheit (vgl. § 18 Versammlungsgesetz Sachsen-Anhalt) nicht geboten gewesen.
Nach einer etwas turbulenteren Situation an der Willy-Lohmann-Straße Ecke Askanische Straße (kurz zuvor hatte hier die Afd-Kundgebung stattgefunden) „besänftigte“ ein vorgesetzter Beamte seinen Trupp mit den Worten „Jetzt kommt mal runter, es gibt noch eine zweite Runde Leute!“. Dies erweckt den Anschein, dass der Vorgesetzt die Aufregung seines Trupps allenfalls kurzweilig eindämmen wollte und suggeriert, dass er eine Revanche für legitim halte. Die Aufgabe der Polizei ist zwar auch die Strafverfolgung, keinesfalls aber das Erlangen von persönlicher Genugtuung durch eine „zweite Runde“.