Am Montag, dem 01. Mai 2017, wollten verschiedene rechtsradikale Gruppierungen eine Demonstration in Halle durchführen. Dagegen formierte sich breiter Protest. Die geplante Demonstration der Rechten wurde durch diesen Protest vollständig verhindert, ihnen war nur eine stationäre Kundgebung am Hauptbahnhof möglich. Die Demobeobachtung Leipzig begleitete Gegendemonstrationen des Bündnisses „Halle gegen Rechts“ sowie die An- und Abreise der Teilnehmer*innen aus Leipzig.
Bei der Anreise vom Hauptbahnhof zu den Startpunkten der Versammlungen wurden Teilnehmer*innen von Kamerwagen gefilmt. Gegen elf Uhr setzten sich am Uniplatz sowie am Rannischen Platz die zwei von uns begleiteten Gegendemonstrationen in Bewegung. Stellenweise wurde hier durch Einsatzkräfte erneut gefilmt. Beide Aufzüge führten in das Gebiet südlich des Hauptbahnhofs, in dem auf der Aufzugsroute der rechten Demonstration zahlreiche Sitzblockaden errichtet wurden.
Als Teilnehmer*innen der Demonstration vom Rannischen Platz dabei auf der Merseburger Straße Richtung Pfännerhöhe/Raffineriestraße liefen, versuchten Einsatzkräfte sie durch Polizeiketten, den massiven Gebrauch von Pfefferspray sowie weitere Gewaltanwendungen aufzuhalten. Es wurden Schlagstöcke eingesetzt, Personen zu Boden geschubst und getreten. Insbesondere der Reizstoffeinsatz, teils aus einer Distanz von weniger als einem Meter, ist zu kritisieren. Nicht nur birgt jegliche Verwendung von Pfefferspray erhebliche gesundheitliche Gefahren (Dazu: http://www.karin-binder.de/uploads/media/Gutachten-Einsatz_von_Pfefferspray.pdf), zusätzlich wurde der Reizstoff durch die windige Wetterlage weit verteilt, was die Folgen noch unberechenbarer machte. Dennoch schienen etliche Beamt*innen dieses Mittel des unmittelbaren Zwangs für angemessen zu halten.
Auch im folgenden Versammlungsgeschehen kam es zu verschiedenen nicht nachvollziehbaren und unverhältnismäßigen Handlungen durch die Polizei. So wurden Teilnehmer*innen und Demobeobachtung persönlich beleidigt. Ein Wasserwerfer und Drohgebärden mit Pfefferspraydosen sowie der Einsatz von Polizeihunden sorgten stellenweise für eine einschüchternde Wirkung. Eine*r deutlich gekennzeichneten Pressevertreter*in wurde bei der Dokumentation des polizeilichen Handelns gezielt Pfefferspray ins Gesicht und auf die Kamera gesprüht.
Nach dem Ende der Kundgebung der Rechten reiste die Gruppierung nicht geschlossen ab. Als einzelne Personen aus der Versammlung sich zu den Gegenprotesten am Hauptbahnhof bewegten, kam es zu einer unübersichtlichen Gemengelage, bei der auch Ingewahrsamnahmen von Gegendemonstrant*innen beobachtet wurde.
Anschließend agierten die Beamt*innen vor Ort absolut unnachvollziehbar: Sie sammelten eine Gruppe von etwa 20 Rechtsradikalen, erkennbar an ihren Pullovern mit der Aufschrift „Aryans / Support your race“, gemeinsam mit anwesenden Journalist*innen und einer kleinen Zahl Teilnehmer*innen der Gegenproteste und führten sie geschlossen weg vom Hauptbahnhof die Delitzscher Straße entlang. Einigen Menschen, mit ihnen den Demobeobachter*innen, wurde es verwehrt sich aus der Situation zu entfernen. Nachdem alle sich im Wanderkessel befindlichen Personen in die Freiimfelderstraße geleitet wurden, sollten die Demobeobachtung und die Teilnehmenden der Gegenproteste (zusammen noch weniger als 10 Personen) in die Sagisdorfer Straße abbiegen. Die ca. 20 Rechten wurden daraufhin in die Parallelstraße geführt. Dann zog das gesamte Polizeiaufgebot unvermittelt ab. Es ist völlig unklar, in welcher Form dies sinnvolle Gefahrenabwehr oder ein anderes legitimes Interesse der Polizei darstellen soll. Durch diese Vorgehensweise wurde hier eine Situation der unmittelbaren Gefährdung geschaffen.