Am Montag, dem 07.03.2016 begleitete die Demobeobachtung Leipzig die Proteste gegen LEGIDA in der Leipziger Innenstadt. Die Beobachtung begann mit der Begleitung der Demonstration Für einen grenzenlosen queeren Feminismus – Sexismus angreifen, welche sich gegen 18:30 am Augustusplatz in Bewegung setzte.
Der Aufzug hin zum Richard-Wagner-Platz und die dortige Kundgebung verliefen ohne Zwischenfälle. Allein, dass einige Einsatzkräfte der Polizei sich teilweise in dem Aufzug selbst bewegten, störte.
Problematisch war allerdings, dass bei den spontanen Versammlungen entlang der LEGIDA-Aufzugsstrecke Teilnehmer*innen immer wieder rechtswidrig gefilmt wurden. Zudem lief der Straßen- und Schienenverkehr insbesondere an der Tramhaltestelle Goerdelerring ungehindert weiter. In Anbetracht dessen, dass diese spontanen Versammlungen nach den Erfahrungen der letzten Wochen nicht überraschend kamen, hätte die angemessene Verkehrssicherung keine Schwierigkeit darstellen dürfen. Die tatsächliche Sachlage ließ die Einschränkung des Verkehrs für die Sicherheit der Beteiligten auch erforderlicher erscheinen als die von der Polizei mitgeführten Wasserwerfer, Räumfahrzeuge, Hunde und Tränengasschussgeräte.
Kurz vor 21 Uhr begann die grüppchenweise Abreise der LEGIDA-Teilnehmer*innen, die sich über etwa eine Stunde hinzog. In diesem Zeitraum kam es an der Haltestelle Goerdelerring wiederholt zur Anwendung körperlicher Gewalt durch die Polizei sowie zu mindestens zwei Ingewahrsamnahmen. Teilnehmer*innen wurden immer wieder geschubst, mindestens zwei Personen wurden dabei zu Fall gebracht. Die Demobeobachtung konnte bei einem Menschen die Folgen des Einsatzes von Reizgas beobachten. Zwei Protestierende, von denen mindestens eine*r augenscheinlich minderjährig war, wurden im „Polizeigriff“ an die Ecke Löhrstraße zur Durchführung identitätsfeststellender und erkennungsdienstlicher Maßnahmen sowie Durchsuchung verbracht. Ihren anwesenden Begleiter*innen wurde ebenfalls Polizeigewahrsam angedroht, da sie sich aufgrund einer roten Ampel nicht sofort vom Ort des Geschehens verweisen ließen. Auch die Presse wurde bei der Dokumentation der Maßnahme angegangen. Die Einsatzkräfte schubsten ebenfalls eine zufällig hinzukommende Person zu Boden. Den Betroffenen der Maßnahmen gegenüber äußerten sich die Beamt*innen nicht mit der gebotenen Sachlichkeit („Halt die Schnauze“ u. A.).
In verschiedenen Situationen, unter anderem am Goerdelerring und an der Bosestraße, offenbarte sich dieses Mal deutlich das unzulängliche Verständnis der Polizei vom Begriff der Versammlung. So äußerten mehrere Polizeibeamt*innen, dass es sich bei den spontanen Kundgebungen nicht um Versammlungen handele, da sie nicht angemeldet seien. Dies widerspricht bereits dem Wortlaut des Artikel 8 Abs. 1 Grundgesetz, welcher besagt, dass das Recht auf Versammlungsfreiheit ohne Anmeldung oder Erlaubnis besteht. Obwohl für Versammlungen unter freiem Himmel Beschränkungen gemäß Art. 8 Abs. 2 Grundgesetz bestehen, hat das Bundesverfassungsgericht auch für diese klar gestellt: Der Schutz des Art. 8 Grundgesetz besteht unabhängig davon, ob eine Versammlung anmeldepflichtig und dementsprechend angemeldet ist (Beschluss vom 07. März 2011 – 1 BvR 388/05). Bei der Spontan- und der Eildemonstration hat es ohnehin auf das Erfordernis (rechtzeitiger) Anmeldung verzichtet (Beschluss vom 14. Mai 1985 – 1 BvR 233, 341/81). Trotz der verfehlten Annahme der Polizei, dass keine Versammlung vorläge, äußerten die Beamt*innen, dass Straftaten aufgrund von Vermummung einzelner Personen vorliegen würden. Dies ist widersprüchlich, da gemäß § 17 Abs. 2 Nr. 1 in Verbindung mit § 28 Abs. 2 Nr. 1 Sächsisches Versammlungsgesetz die Vermummung ausschließlich in Versammlungen eine Straftat darstellt. Hier wurde der Versammlungsbegriff herangezogen, um ein Einschreiten gegen Protestierende rechtfertigen zu können. Andererseits wird die Versammlungslage abgelehnt, wenn hierdurch Teilnehmer*innen den Grundrechtschutz wahrnehmen könnten.